Samstag, Juli 29, 2006

Bürgerlich



Mein alter Kumpel Johannes hat geheiratet. Der erste aus meinem engeren Kreis, ausgerechnet er. Aber zumindest ist es seine Traumfrau. Und hat vorher drei Kinder in die Welt gesetzt, nicht dass es zu bürgerlich wird.

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Donnerstag, Juli 27, 2006

Regen!

Grad fünf Minuten Rad gefahren in den ersten dicken Tropfen des heranziehenden Gewitters, um mir die "Süddeutsche" bei Freunden aus dem Hausflur zu holen, die grad im Urlaub sind. "Dirty Blue" von Woven Hand im Ohr gehabt, dazu Donnergrollen.

Ich las, dass die "Regentrude" in diesem Sommer eine Renaissance hatte. Erinnerte mich an eine großformatige, wunderbar in Türkis und Goldgelb illustriertes tschechische Ausgabe davon, die ich als Kind geliebt habe. Da konnte ich die Geschichte auswendig.

Mich eben noch mal in den Regen gestellt. Die Tropfen haben in Blasen auf die Pflastersteine geschlagen. Zwei Stepkes im Schlüpfer kamen vobei und haben vor Freude gequiekt. Da ist mir endgültig komisch ums Herz geworden und ich mußte an meinen Großvater denken.

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Saubere Arbeit

„Come One, Come All, and Join the List of U.S. Terrorist Targets“ schrieb die New York Times in ihrer Ausgabe vom Montag. Darunter ein Bild vom „Old MacDonalds“-Streichelzoo ("Petting Zoo" auf Englisch...) in Huntsville, Alabama. Kein Scherz, gehört zu den 77 069 Firmen, Monumenten und Veranstaltungen, die vom „Homeland Security Department“ als potentielles Ziel von Terrorattacken eingestuft wurde, ebenso wie die Amish Country Popcorn Fabrik, der Flohmarkt von Sweatwater, Eis- und Donutstände, die „Mall of Sears“ (wenn es da nicht um Menschenleben gehen würde würde ich ja sagen nicht schade drum) und ein nicht genau bezeichneter „Strand am Ende einer Straße“.

Dass da ein paar Scherzkekse am Werk waren liegt nahe. Aber welche mit Geschäftssinn – denn das „Homeland Security Department“ gibt jährlich Millionen an Dollars für Terrorismusbekämpfung aus. So wurden im Mai die Ausgaben für New York und Washington um 40% gekürzt und in solche Städte wie Lousville, Kentucky umgeleitet (Freakwater - zumindest Catherine - wird vor Terrorismus geschützt!). Dagegen würden auf der Liste wichtige Finanz- und Telekommunikationsknotenpunkte völlig fehlen. Herr Lehman, Inhaber der Amish Country Popcorn Fabrik, hatte wohl nach langem Grübeln eine halbherzige Erklärung parat, warum seine kleine Firma mitten in der Pampa auf der Liste steht: „Maybe because Popcorn explodes?“

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Dienstag, Juli 25, 2006

Edwards oder Adel verpflichte, Geschichte auch

Ich habe grad das Interview mit David Eugene Edwards aufgearbeitet. Er ist ja bekanntlich fundamentalistischer Christ von der Hardcore-Sorte. Glaubt wortwörtlich an die Bibel. Völlig ekelig und gaga. Kam mir absolut absurd vor, solche Worte aus dem Mund von so einem coolen, sanften, charmanten und nachdenklichen Indie-Typen wie ihm zu hören. Wenn er dann ruhig, aber fest sagt: "Für mich ist das keine Sache von: 'Das ist deine Meinung und das ist meine Meinung'. Ich glaube an die absolute Wahrheit, ob man daran glaubt oder nicht." Krass. Natürlich war man durch die Texte vorgewarnt, aber die großartige Musik macht einiges leicher.

The absolute truth
Dann erzählt er wieder, dass er sich sehr mit Indianerkultur beschäftigt. Geht immer zu den Pow-Wows der Ute und Cheyenne bei ihm um die Ecke in Denver, Colorado, wenn er mal zu Hause ist, und läßt sich inspirieren. Findet die Leute nett. Dann sagt er auf Nachfrage, wo seine Vorfahren mütterlicher- und väterlicherseits herkommen: Irland und Schottland. They were missionaries to the American Indians. So. Leider nicht mehr die Zeit gehabt zu fragen, ob er da kleinen Widerspruch sieht, wo er doch tief in ihren Fußstapfen steht. Die Antwort muß ich dann noch mal kriegen.

Dann noch eben entdeckt, wie verdammt tief die Fußstapfen wahrscheinlich sind. Er erzählte, dass er auch großes Interesse an Geschichte hat, US-amerikanischer und allgemein, und viel theologische Literatur liest, vor allem alte. Unter anderem puritanische Autoren wie George Whitefield. Im Zusammenhang mit jenem Whitefield stolperte ich über einen anderen Zeitgenossen, Jonathan Edwards.

Wie aus dem Gesicht geschnitten: Jonathan Edwards

Ich las den Artikel und glich ihn im Kopf mit dem ab, was David "Eugen" Edwards von sich gegeben hat. Nehme an, dass dieser für die US-amerikanische Kultur nicht ganz unwichtige Jonathan mit ziemlicher Sicherheit ein Vorfahr von ihm war. Dann hat der Bursche echt sein Päckchen zu tragen. Aber er trägt es mit Gott.

P.S. Da es da wohl Mißverständnisse gab: Abgesehen davon, dass ich ihn als Künstler sehr schätze, habe ich David Eugen Edwards als angenhmen und höflichen Menschen erlebt, mit dem ich mich durchaus auch gern nochmal länger und privat über bestimmte Sachen unterhalten würde. Grad deshalb kann ich es ja nicht so richtig fassen, was ich oben beschrieb.

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Donnerstag, Juli 20, 2006

Deutsche Leitkultur

Ich versuche ja wo möglich schlechte Musik und simple Geister zu vermeiden. Aber manchmal ist es einfach nur geile Realcomedy. Besser als zum Beispiel Gunter „Sohn aus dem Volk“ Gabriel oder Daniel „Spreewaldgurke“ Küblböck und seine Fans starring as themselves könnte es kein Parodist.

Gestern waren die Stones in der Stadt. Für die campt wohl mittlerweile keiner mehr vor den Veranstaltungssorten, schließlich sind die Fans mittlerweile auch zumeist in gesetzterem Alter. Aber dafür campten bei uns gegenüber vor der Veranstaltungshalle einige Schülerinnen und Mütter. Grund: In drei Tagen tritt hier besagter Küblböck auf. Wer vergessen hat, wer das war, denke an Deutschland-sucht-den-Superstar vor einigen Jahren oder den Gurkenlaster, in den der Knabe reingerasselt ist, um mal wieder Schlagzeilen zu kriegen – am Ruf war eh nichts mehr zu ruinieren.



Man glaube es oder nicht: Die Damen sitzen jetzt allen Ernstes geduldig bis Samstag abend vor dem Eingang und warten. Ihre Karten für 50 Euro (!!!) haben sie mit Sicherheit längst erstanden, ist meines Wissens nach auch ausverkauft. Jetzt gehts wohl um die Liste, in die man sich eintragen muss, wenn man in der ersten Reihe stehen will. Das wird dann auch streng eingehalten. Gibt es sonst Zickenkrieg? Ich frage mich auch, wie die das regeln, wenn heute abend erst mal eine andere Veranstaltung stattfindet. Da muss man nämlich genau durch die Tür rein, vor der die pennen. Ob die Nachwache schieben und reihrum schlafen? Was machen die bei Gewitter? Hart sind sie ja offensichtlich. Was haben die sonst für Probleme? Vielleicht mache ich nachher noch ein Interview mit ihnen....Aber so richtig sicher schienen sie sich selbst nicht zu sein, wie cool sie nun wirklich sind. Jedenfalls wollten sie sich nicht so richtig fotografieren lassen, obwohl ich höflich war und meine Meinung zu ihrem Star nicht zum Besten gegeben habe. Ahnten sie etwa was?

Bin sehr gespannt auf die Pressekonferenz (!!!) am Samstag von uns Daniel, die in unseren Vereinsräumen stattfindet. Er hat ja jetzt erkannt hat, dass im Leben doch nicht alles so einfach ist und schreibt jetzt sensible Songs über sein Innenleben. Ich habe vorhin mit einem Bekannten diskutiert, ob ich mich für Geld und die gesteigerte Aufmerksamkeit meiner Mitmenschen so zum Klops machen würde. Das Geld würde ich wohl nehmen...

Richtigen Trash, der teilweise auch weh tat, habe ich mir am Sonntag freiwillig angetan. Da war Gunter Gabriel in der Stadt, auf einem Straßenfest. Eigentlich sollte er der Headliner am Samstag sein. Aber da ist ihm eine dringende Fernsehaufzeichnung dazwischen gekommen, wie er gleich als Erstes bekannt gab. Mit seinem alten Freund „Biene Maja“-Karel (der lebt noch?) und so. Er kam eine halbe Stunde zu spät, just vom „Airport“ (und das als Vorkämpfer für die deutsche Sprache im countryesken Schlager?).



Er hatte es sich ja grad vor einiger Zeit mit seinem Zielpublikum (soweit nicht schon in Rente) verdorben, als er sich despektierlich über Hartz-IV-Empfänger geäußert hatte. Das versucht er jetzt wettzumachen, indem er beteuerte, er hätte nichts gegen die Leute, sondern nur gegen Herrn Hartz selber. Überhaupt wetterte er über die Bosse, die neumodischen Werte, der Jahrgang 42 sei eh der Beste, davon könne man doch nur lernen. Dann jammerte er ausführlichst über sein eigenes Schicksal als einstiger Schlagerstar, der sogar in der Hitparade auftreten durfte (aber natürlich ist er kein Schlagerfuzzi wie Roy Black oder Roberto Blanco). Jetzt hätte er nur noch Schulden, aber weltliche Güter machen ja auch nicht glücklich. Dem Gerichtsvollzieher, der ihn letztlich besuchte musste erst mal beibiegen, dass es das größte Glück der Erde ist, in einem Hausboot zu leben und nichts zu haben außer alle Elvis-Presley- und Johnny-Cash-Platten. Ist für Herrn Gabriel ja auch alternativlos. Als der Gerichtsvollzieher es dann endlich kapiert hatte und geläutert war, war er mit uns Gunter auch gleich per du.

Publikumskontakt pflegte Gabriel unter anderem dadurch, dass er einen armen Spinner vor der Bühne (der sicher auch irgendwo selbst Schuld war) die ganze Zeit zur Belustigung des Restpublikums erniedrigt hat, und das dann immer mit einem großzügigen: „Hej komm, ich mag dich. Du bist ein Original.“ zu kompensieren versuchte.




Gabriels „alter Kumpel“ Johnny Cash wurde, wie nicht anders zu erwarten, ohne Ende strapaziert. Und natürlich Deutschland! Fing gleich damit an. Er wär letztlich von Hamburg nach Hannover auf der Autobahn (wo sonst, außer „Airport“) unterwegs gewesen. In Hamburg hatte er noch keinen Song, danach hatte er, inspiriert von derzeitigen schwarz-rot-goldenen Randstreifen, seinen neuesten Hit geschrieben. Einen Mitklatscher und -gröler namens „Lasst die Fahnen auf dem Dach“ oder so. Kam dann auch gleich dreimal zu Einsatz, damit die Leute sich die Single auch ja kaufen. Und kam auch super an na klar, interessanter weise nicht bei allen, weil das schon seine Fans waren, von der älteren Dame, die sich einen der „Supersongs“ wünschte, die Gunter geschrieben hatte („Die Frauen wünschen sich immer die kitschigen Lieder“), bis zum Jungspund, der Gabriels Texte besser kannte als er selbst. Jedenfalls holte er den Trumpf dann zum Ende der Schau aus der Tasche: die Deutschlandgitarre. „Die habe ich nicht erst seit jetzt, sondern schon seit 1972. Alle haben deshalb immer gesagt, ich bin ein Nazi.“ Jetzt nicht mehr, jetzt darf er wieder hemmungslos und hat ja immer schon Recht gehabt, unser Sohn aus dem Volk. Nur mit den Hartz-IV-Empfängern sollte er in Zukunft sensibler sein. Sonst hat er nämlich bald außer Rentnern keine Fans mehr.

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Donnerstag, Juli 13, 2006

The Gossip


Hier ein paar Soundschnipsel aus dem Interview mit The Gossip und auch ein Bild. So traurig und angenervt waren sie im übrigen gar nicht, sonder Beth (Mitte) und Nathan haben aufgeregst durcheinandergeschnattert, was beim Schneiden die Hölle war. Wozu sie noch genuschelt haben wie Sau. Aber was tut man nicht für eine gute Band, deren Show man dann leider verpasst hat, weil man arbeiten musste...Soll aber super gewesen sein.

The Gossip ist eine US-Band, die inzwischen in Portland lebt, eigentlich aus der völligen Pampa in Arkansas kommt und sich sehr stark an Grunge, aber auch "Riot Grrrl" und Bands wie Bikini Kill, Sleater Kinney und anderen Bands vom Label Kill Rock Stars in Olympia, Washington orientierten. Dort sind sie dann auch konsequenter Weise hingezogen und haben ein paar Jahre lang die feministische und schwullesbische Subkultur dort aufgesogen. Mit ihrem aktuellen Album "Standing in the Way of Control" sind sie auch in Europa in weiteren Kreisen bemerkt worden und sind jetzt bei Lado unter Vertrag.

Die Band war sehr nett, leider war der Tourbegleiter von der Plattenfirma etwas eigenartig (die Band hatte gleich drei Leute dabei, die sie betütelt haben), um das freundlich auszudrücken. Er hat seine Aufgabe als "Beschützer" etwas zu ernst genommen, oder - nix für ungut - überschätzt, was für "Superstars" er da unter seinen Fittichen hat. Vielleicht sollte er sich mal klarmachen, das gute Presse die beste Werbung ist, und leider war auch niemand Wichtigeres als Kollege Kai Bx. und ich da - nämlich niemand anders. Erst sollte ich keine Fotos machen dürfen, obwohl Zeit genug war und die Band selbst damit überhaupt kein Problem hatte. Dann setzte er sich demonstrativ nach 20 Minuten in den Raum, wo das Interview stattfand - eine halbe Stunde war ausgemacht - , wo daraufhin die Luft raus war, weil meine Konzentration hinüber war und ich das Signal auch durchaus verstand. Netterweise reagierte Beth mit einem "Schon vorbei? Schade, das war ein nettes Interview." Thanks.

Heute abend übrigens bei Sarah Kuttner - hab leider auch keinen Fernseher.

Audio:

Beth und Nathan zu...

White County, Arkansas hier
Olympia, Washington hier
Wie Einsamkeit und Armut förderlich sein können hier
Peaches hier

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Der Kampf Gut gegen Böse geht weiter...


Am Dienstag waren die mutigen Pflänzchen wieder plattgemacht. Jetzt sollte auch Linden Nord auf keinen Fall entgeghen, dass Wolfgang Petersen in Hollywood einen neuen unnötige Blockbuster gemacht hat, der sowohl diesseits als auch jenseits des Atlantiks durch die Kritik gerauscht ist. Dafür haben sich fleißige Knibbler am anderen Deutschlandtürchen zu schaffen gemacht und unter anderem Aliens freigelegt.



So sieht das da übrigens insgesamt aus.



Obs das jetzt auf B-Schein gibt und wie die überhaupt ins Haus kommen habe ich noch nicht rausgekriegt. Macht auf jeden Fall was her, wenn man oben ist.



Und am Mittwoch jedenfalls haben wieder todesmutige Plakatierer zugeschlagen, noch mehr an der schlechter einzusehenden Tür (Bild ganz unten). Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Und diese junge Lindenerin erkundigte sich schon wieder über die aktuellen Veranstaltung und unterhielt sich mit ihrer Mutter (?) darüber, ob sie nicht zur 80er-Jahre-Party im benachbarten alternativen Veranstaltungszentrum Faust gehen wollen.


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Lecker!

Ein Rezept für Zitronenschnittchen habe ich noch immer nicht gefunden. Dafür habe ich heute zweimal lecker Hefepfannkuchen gegessen. Die hat mein lieber Kollege Carsten nicht nur auf den Teller gebracht, sondern selbst zumindest modifiziert. Manchmal lernt man auch was aus der Werbung. Carsten fragte sich bei der Klitschko-Werbung für die Milchschnitte, was denn diese Blinys seien, die der eine Bruder früher immer gemacht haben soll. Und kam nach längerem Experimentieren nicht nur mit Esswaren sondern auch mit der deutschen Sprache auf folgendes Rezept:

Hefepfannkuch/innen
(Hefepfannkuchende; pol. kor., Anm. d. Red.)


Tsu Ta-teng:

500g Weizenmail Typ 405
250g Magermilchyoghurt
250g Magerquark
Buttermilch
2 Eier
5 Päckchen Vanillezucker oder a Flascherl Vanille-Backaroma
1 Wülfel frische Hete
-------------------------------------------------------------------------------------

Tsube Lei-Tung:

Die Mail dem Schüssel geben und eine Mulde hinein drücken. Die Hete zerbröseln und in einem Glas mit ca. 5cl Wasser und etwas Zucker zu einer dünnflüssigen Masse verrühren. Anschließend die aufgelöste Hete in die Mulde kippen, damit die dann in die Elbe fließt. Den Schüssel mit einem Tuch abdecken, damit er nicht mehr regieren kann und 20 Minuten an einem warmen Ort (z. B. Schwulenbar) stehen lassen. Danach sollte die Hete aufgequollen sein. Nun die Eier öffnen, Eiweiß von Eigelb trennen und das Eiweiß steif schlagen. Nun sämtliche Zutaten zu der Mail und der Hete in den Schüssel zum koalieren geben. Die Menge der benötigten Buttermilch variiert je nach gewünschter Konsistenz der Teigin. Den Schüssel noch eine Legislaturperiode (Stunde) lang zudecken und in die Schwulenbar stellen, dann fertig...und backen!!!


Hyvä ruokahalua!

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Dienstag, Juli 11, 2006

Unkraut vergeht nicht

Und schon haben sich ein paar Veranstalter gefunden, die entweder nichtsahnend sind oder verwegen der Tatsache ins Auge sehen, dass diese "fahrlässige Beklebung" eine "Ordnungswidrigkeit" von bis zu 4000 € nach sich zieht.

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Samstag, Juli 08, 2006

Deutschlandverordnung

Bis vor kurzem war dieses Tor eines Bunkers in Linden-Nord, hinter dem sich, glaube ich, Übungsräum verbergen, wild mit lustigen Plakaten beklebt. Die wiesen zumeist auf Veranstaltungen in lokalen Kneipen und Clubs hin. Eine der letzten Bastionen, auf der so etwas geschah, nachdem die Stadt schon vor einigen Jahren gegen die bösen Plakatierer vorgegangen war, die heimlich des Nachts losziehen, und lieber selbst jede geeignete Fläche gegen Bares vermietet hat. Klar, dass da dann nur noch Plakate für die goßen Veranstaltungen hingen.

So etwa zur Mitte der schönen Fußball-WM, die uns das Wir-Gefühl wiedergegeben hat, und nachdem Deutschland nicht gleich in der Vorrunde rausgeflogen war und unser Klinsi kein Bundeverdienstkreuz in Aussicht gestellt gekriegt und wir uns alle nicht so geliebt hätten, tauchte dann eine professionelle Beklebung in AOK-Ästhetik auf. Irgendwas mir Fußball, schönen, gesunden Menschen (natürlich auch mit Repräsentationsneger, um nicht in die brauen Ecke gestellt zu werden, bin ich geneigt zu sagen) und Deutschland. Kurz darauf nur noch Deutschland.



Linden-Nord wäre nicht Linden-Nord, wenn das nicht nach der ersten Nacht ein paar weiße Risse gehabt hätte. Gestern ging ich an der mehrfach nachrenovierten Tür vorbei und fand dann das, geklebt auf ein schickes Metallschild, aber nur luschig mit Gaffertape an die Hauswand gebappt, was natürlich sofort wieder abgefallen ist. Und dem Ton und der Vielzahl drohender Ausrufezeichen nach zu urteilen war da jemand richtig sauer und verständnislos über diesen Vandalismus:





Und Linden-Nord wäre nicht Linden-Nord, wenn das frisch restaurierte Deutschland-Türchen nicht sofort wieder Schaden genommen hätte und auch das Schild nicht am selben Abend wieder verschwunden wäre. Auf dem Heimweg dachte ich dann über verschiedene mögliche Verschwörungstheorien nach: War dieses Schild nur Provokation und Verarschung ("Kulturwerbung"???)? Hätte man, wenn man von gesundem Menschenverstand und geistiger Beisammenheit ausgeht, denken können. Dagegen spricht, dass das Haus in der Tat vor einigen Jahren schick renoviert wurde und auf dem Dach jetzt wirklich super Appartments mit sonnigen Balkonen hat (gibt es da eigentlich einen Fahrstuhl – ist ganz schön hoch). Da stören natürlich vollgeklebte Türen, und ein bisschen Geld mit bezahlter Plakatwerbung reinzukriegen ist ja auch ein feiner Nebenverdienst zu den sicher nicht ganz niedrigen Mieten.

Hola, jetzt kam ich auf die Verschwörungstheorie schlechthin: Der ganze Deutschlandwahn nur ein Produkt von Werbefirmen und sonstigen Damit-Geld-Verdienern und von Parteien und Institutionen, an denen ansonsten kein gutes Haar gelassen wird und die ein bisschen Farbe auf dem angekratzten Lack und Wir-Gefühl auf der geschundenen Seele gebrauchen können, und die Ewiggestrigen, die auf dem allgemeinen Backlash wieder gedeihen sowieso ... Dann schießen noch so ein paar Leute wie dieser Mensch von der Erziehungsgewerkschaft Eigentore, um in der Sprache der Zeit zu bleiben (war der eigentlich gekauft?), Ströbeles Onkel Herbert Zimmermann war der Moderator mit dem „Tooooor“ und er hat die Rechte daran geerbt, auch wenn er kein Fähnchen an sein Rad bastelt....oh, oh.

Nun ja, das ist sicher alles etwas differenzierter. Aber ich glaube ja, dass tatsächlich ein ein Großteil der billigen Plastikfähnchen nicht hängen würde, hätte es die Umsonst-Beilage der HAZ nicht gegeben (och wenn sie mal da sind, zu Schade zum Wegschmeißen), oder die unwiderstehlichen Schnäppchen für zweifuffzich. Jetzt ist es ein Selbstläufer geworden, wir brauchen alle ein wenig Wir-Gefühl auf der geschundenen Seele. Zudem hat „mal wieder Flagge zeigen dürfen“ den Reiz des Neuen, Ex-“Verbotenen“ - ... mein Gott, dann macht man mal mit. Die anderen machen das ja auch, und man will ja keine Spaßbremse sein, ein wenig vergessen und nachdenken schon gar nicht. "Wir machen weiter" droht Bild nach der Niederlage. Und es ist doch so schön für die Kinder.

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Donnerstag, Juli 06, 2006

Panteón Rococó



Es war groß! Eines der besten Konzerte, die ich je gesehen habe, ungelogen. Heiß wie im Backofen, und maximale Luftfeuchtigkeit. Bis dahin hätte ich noch behauptet, ich bin zu alt für solche Scherze. Dass die Musiker von Panteón Rococó aus Mexico City und die ca. 500 Besucher in der 60er-Jahre-Halle der Faust innerhalb kürzester Zeit klatschnaß waren, war dann für alle aber völlig nebensächlich. Einige Jungs meinten sich entschuldigen zu müssen, weil sie mit freiem Oberkörper rumliefen – aber wenn das nicht etwas mißverständlich rüber gekommen wäre hätte ich das genauso gemacht.



Was die neun Musiker da auf der Bühne lieferten, hatte so viel Energie, dass einfach alle tanzen mußten zu diesem Ska-Latin-Rock-Cumbia-was-auch-immer Mix. Hunderte Hände reckten sich begeistert in die Luft, überall ekstatische Gesichter – unglaublich. Und dabei nicht ekelig ferngesteuert wie bei irgendeiner Mainstream-Massenverarsche.



Die Musiker selber waren völlig dabei. Sind bis auf die hintere Reihe (eine ganze Batterie von Drums, Percussion, Bass) zumeist wie angestochen über die Bühne gesprungen, vor allem der Sänger Luis und der Saxophonist Missael. Dazu gabs noch zwei Gitarren, einen Trompeter und einen Posaunisten. Der Sound war eher für eine Freiluftbühne mit 10.000 Zuschauern als für die kleine Halle geeignet. Das Klima passte schon.

César García an der Trompete und Paco Barajas an der Posaune

Den schönen Missael habe ich nach der Show im Sommergewitter draußen vor der Tür noch mal kurz getroffen: Er hatte selber leuchtende Augen und war noch ganz begeistert von der Party, obwohl er das jeden Abend erlebt. Und hat sich einfach total gefreut auf Tour in Europa zu sein und Land und Leute zu sehen. Er meinte, dass sie lieber in kleineren Clubs spielen – auch wenn die Faust das letzte mal ausverkauft war und dieses Mal trotz Fußball und schwülwarmem Wetter auch fast.

Der schöne Missael

Schade war nur, dass wahrscheinlich nur ein Bruchteil der Leute verstanden hat, was der Sänger, der gern mal in Ska-Manier mit hochgezogenen Beinen über die Bühne sprang auf Spanisch sagte und sang. Er kann zwar Englisch, hatte da aber offenbar keinen Bock drauf und sprach genauso selbstverständlich wie viele englischsprachige Musiker in seiner Muttersprache auf das Publikum ein.

Sänger Luis

Schade deshalb, weil die ja auch was zu sagen haben. Die kommen aus der mexikanischen Ska-Bewegung, die sich 1994 zur gleichen Zeit wie die Zapatistas in Chiapas entwickelt hat und insgesamt sehr politisiert ist. Ich wollte eigentlich ein Interview mit denen machen, kannte aber die Band nicht gut genug. Ich hatte nicht mal auf dem Schirm, dass die beiden Jungs, mit denen ich dann doch gesprochen hab, die beiden Frontleute waren. War mir etwas peinlich, aber die schien das nicht zu stören oder sie waren professionell. Jedenfalls habe ich sie zur politischen Situation in Mexiko in Zusammenhang mit der Wahl gefragt. War etwas schwierig, weil sie ihr Englisch gern mit spanischen Wörtern würzten („into the lucha otra vez“). Aber jetzt hab ich, glaube ich alles rausgekriegt.

Alle Neune

Sie erzählten, dass kein Mexikaner so richtig hinter einem Kandidaten stehen würde, selbst der linke Kandidat Andrés Manuel López Obrador sei nur das geringere Übel. Den von der ehemaligen Staatspartei mit dem schönen Namen Partido Revolucionario Institucional (Partei der Institutionalisierten Revolution), die 70 Jahre lang regiert hat, will eh keiner mehr (hat aber noch ein Viertel aller Wählerstimmen bekommen). Wo bei Obrador auch eine PRI-Vergangenheit hat. Der wirtschaftsliberale Filipe Calderón von der jetzigen konservativen Regierungspartei Partido Acción Nacional de México sei natürlich am Schlimmsten, weil er allen Problemen mit einer harten Hand begegnen wolle. Als Lösung sehen sie Organisationen, in denen die Leute selbst an ihren Problemen arbeiten oder die Mobilisierung von so viel Leuten wie möglich, die Druck auf die Regierung ausüben. Davon haben sie sicher auch in der Show erzählt. Aber hat wie gesagt kaum jemand verstanden. Vielleicht schauen sich ja ein paar deren Seite an, hier und hier.

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Mittwoch, Juli 05, 2006

Alter Schwede

Nein, nicht das Fußball-Gegröle ist der Untergang des Abendlandes. Es sind die neuen Flaschenmoden.



Während sich die Schweden im Zuge des "Zwangspfandes" dem gemeinen Fußvolk anzubiedern versuchen, hofft Afri-Cola auf den sozialen Aufstieg. Jetzt kann sich der hippe Trinker noch furchtbar viel hipper fühlen.



Ein Freund von mir sagte mal beim Anblick eines Hauses, das sei so häßlich, da sollte man den Architekten dran aufhängen. Was macht man in einem solchen Fall mit Designern? 10 Tage Zwangs-Weinschulung?

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Superdeutschland hälts Maul



Grazie Italia!

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Dienstag, Juli 04, 2006

Hundeleben für einen Papagei


Dieser kleine Gesell hat es wahrlich nicht leicht im Leben. Das bewegt sich jahrein, jahraus zwischen Skylla und Charybdis. Seine Winter fristet er im Qualm einer türkischen Männerkneipe. Im Sommer darf er vor die Tür - dafür ist er den verbalen und physischen Zudringlichkeiten der zahlreichen Passanten ausgesetzt. Immerhin sah ich vorhin grad, dass man ihn wenigstens in den Schatten gestellt hat und er nicht in der prallen Sonne brät. Ganz liebreizend.

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Samstag, Juli 01, 2006

Übersee Records



Gestern hatte ich Besuch im Studio - Henning Stoppel vom kleinen aber feinen Hannoverschen Independent-Label Übersee-Records. Mit dem hatte ich schon vor ein paar Wochen ein längeres Interview gemacht. Er war mir ein paar Tage zuvor in meiner Stammkneipe aufgefallen, weil mir sein Kapuzi mit einem riesigen Label-Logo ins Auge stach. Da mir schon der ersten Sampler, den die 2001 oder so rausgebracht haben, positiv aufgefallen ist, gab ich einen "thumb up" und wir kamen wir ins Gespräch. Wir hätten uns eigentlich schon viel länger kennen müssen, da wir mehrere gemeinsame Bekannte haben und in Hannover die "Szene" doch übersichtlich ist. Aber selbst in Linden treffe ich ja immer noch Leute, die sich in den gleichgen Kreisen bewegen, die ich noch nie wahrgenommen habe.

Übersee-Records hat einigen Anteil daran, dass einige Ska-Latin-Rock-Reggae-was-auch-immer-Bands in Europa/im deutschsprachigen Raum in den letzten Jahren einen gewissen Popularitätsgrad erworben haben und Panteón Rococó und Karamelo Santo nicht nur in ausverkauften Häusern, sondern auch auf Festivals wie dem Hurricane spielen. Nix Weltmusik, schon ein wenig mehr auf die Zwölf. Als das Label vor fünf Jahren anfing, war man mit der Musik noch allein auf weiter Flur und hoffte, es sich in der Nische gemütlich machen zu können. Jetzt hat sich unter nicht unerheblichem Zutun des Labels eine Szene entwickelt, es gibt Konkurrenz, aber die belebt bekanntlich das Geschäft.

2001 hatte die hannoversche Ska-Rock-Band Wisecräcker eine Tour durch Kalifornien und Mexiko gemacht. Von da kamen sie mit einem Stapel CDs von einschlägigen lateinamerikanischen Bands wieder. Als sie dann wieder in Hannover waren, dachten die und ein paar Kumpels aus dem lokalen Musikerumfeld, dass man damit unbedingt was machen muss. Henning hatte schon ein paar Erfahrungen in der Eigenproduktion von CDs. Da haben sie halt einfach ein Label angefangen, was seitdem recht erfolgreich läuft. Sie haben Hürden wie einen fünfstelligen Verlust durch die EFA-Pleite überwunden. Laut Henning geht es stetig bergauf, auch wenn sie von Übersee noch nicht leben können - was aber ein langfristiges Ziel ist. Sehr selbstbewußt in der heutigen Zeit. Aber man soll ja immer antizyklisch handeln. Eine Villa, in der man demnächst residieren will, ist schon ausgeguckt. Zunächst findet das Ganze noch bei Henning in der Wohnung statt, immerhin schon in einem separaten Büro.



Barney im Paradies: Er fährt auf auf In-Kisten-Sitzen ab und sein Herrchen macht eine CD-Label!

Interessant ist auch ihr Verhältnis zu Major-Labels. Gerade deren Schwerfälligkeit und allgemein die Art, wie die arbeiten ermöglicht Übersee erst ihre Nische, meint Henning. Viele der Künstler sind in Lateinamerika Stars und werden durch Warner und Co. vertreten. Hier in Deutschland/Europa ist der Markt für diese Art Musik zu klein, um für die interessant zu sein, zudem würden sie nie an einen Konkurrenz-Major lizenzieren.

Auch wenn sie demzufolge eher von den Majors eher profitieren, hat Übersee eine klare Independent-Philosophie. So soll keine Band, die die vertreten klingen wie andere auf dem Label, mit den Künstlern soll langfristig zusammengearbeitet werden und der persönliche Geschmack entscheidet, welche Band genommen wird. Zudem freut man sich darüber, wenn die Kundschaft die CDs in einem CD-Fachgeschäft wie Rockers oder 25 Music kauft. Plattenfetischist Henning würde auch gern auf Vinyl veröffentlichen. Da er jedoch so korrekt ist zu sagen, dass sie nicht Songs gegen die Globalisierung veröffentlichen und dann die Platten in einem "Billiglohnland" pressen lassen können, ist das bislang zu teuer.

Außergewöhnlich ist auch - zumal die Künstler zumeist nicht grad um die Ecke wohnen - dass ein erklärtes Ziel ist, dass alle Bands auch live in Europa spielen. So sind grad Panteón Rococó und Desorden Publico unterwegs. Und da ihr Label in Hannover sitzt, machen sie auch mal keinen großen Bogen um die Stadt. Kann mich noch an das letzte Panteón-Rococó-Konzert erinnern, wo ich nur sah, dass die Leute schweißtriefend (wirklich nass!), aber glücklich wieder rausskamen. Diesmal gehe ich selbst hin.

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