Mittwoch, Mai 30, 2007

The Future Is Unwritten, but the Past Was Photographed

Manche Leute haben das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und das mit einer Kamera. Geschehen dem englische Fotograf Andy Rosen. Als Jahrgang 1950 im besten Alter, um mit Leib und Seele Mitten im Geschehen zu sein, fotografierte er von 1976 bis 1984 in London Punk- und New-Romantic-Musiker. Dann - ermattet von den wilden Jahren und enttäuscht von der Veränderung der Szene - ging er in die USA und seine Bilder blieben daheim. 25 Jahre später kam er zurück nach England, weil seine Eltern aus dem alten Haus auszogen, und hat seine Sachen von damals gerettet. Dabei hat er dann die Negative wieder ausgegraben. Wieder zurück in LA, hat er dann noch eine Weile gebraucht, sich seiner Vergangenheit in der Schachtel zu stellen. 2005 hat er es endlich geschafft - gut für uns. Die ganze Geschichte hier.

Auch gerade im Zusammenhang mit dem Film über Joe Strummer, "The Future Is Unwritten" einen nostalgischen Rückblick Wert: Hier Rosens Seite bei Flickr, und hier sein Blog.

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Samstag, Mai 26, 2007

Maximo Park in Hannover

Before the show.


Mehr Fotos hier. Leider durften wir nur drei Songs lang fotografieren - und dann gar nicht mehr. Deshalb kein Bild vom Enthusiasmus der Fans, die reihenweise rausgezogen worden sind, weil sie für den Geschmack der Security zu viel Spaß hatten. Und einige sind auch ohnmächtig geworden bei der Hitze und der Aufregung.

Ich hatte Maximo Park ja vor zwei Jahren schonmal live im hippen Berliner Postbahnhof gesehen. Da wollte ich gar nicht unbedingt hin, weil ich dachte ich bin 10 Jahre zu alt für die nächste Britpopband. Ich bin aber mitgegangen, und war von ihrem Auftritt sehr angetan. Sie wirkten erfrischend, und als ob sie sich wirklich über ihren Erfolg wie die kleinen Kinder freuen. Damals sagte Sänger Smith auf der Bühne, er müsse aufpassen, dass er nicht abhebt. Dass das auch damals schon ein wenig Masche war zeigte sich, als ich las, dass er das gleiche beim nächsten Auftritt in Hamburg gesagt haben soll.

Diesmal wirkten sie etwas müder und routinierter - aber sie sind immer noch einer der besten Liveacts, die man im Moment sehen kann. So viel Engergie wie Paul Smith haben wenige Frontleute. Dazu hat er noch Talent, was im Kopf, sieht umwerfend aus und wirkt dabei treuherzig - das was man auf Englisch als teenage heartthrob bezeichnen würde. Und die anderen Bandmitglieder stehen ihm in puncto Grips, nett erscheinen und Aussehen kaum nach. Auch für Leute über 25 noch unterhaltsam und charmant, wenn man über ein kreischendes Teenagerpublikum erhaben ist.

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Freitag, Mai 25, 2007

Gut gegen Böse im Morgenmantel

Habe gestern anläßlich des 30. Jahrestags des Erscheinens des ersten Star-Wars-Films heute alle drei Teile von 77 bis 83 nacheinander geschaut. Den ersten muß ich schon vor Jahrzehnten mal im Fernsehen gesehen haben, war aber unbeeindruckt. Auch jetzt konnte ich nicht so richtig verstehen, wieso ausgerechnet diese Filme so eine große kulturelle Wirkung hatten. Die Special Effects waren sicher beeindruckend für diese Zeit, aber die Story ist sowas von billig und gradlinig...nun ja.

Aber in dem Zusammenhang fiel mir eine Geschichte ein, die mir Michaela Melián mal erzählt hatte: Daß nämlich der Schauspieler Sebastian Shaw, der in dem Darth-Vader-Kostüm steckt, als der im dritten Teil den Helm abnimmt, der damalige Lebensgefährte von John Peels Mutter war, eigentlich ein Shakespeare-Schauspieler. Melián hatte Mitte der 80er einige Zeit bei denen gewohnt, weil sie kein Geld für eine eigene Wohnung hatte. Peel stand ja auf FSK, möglicherweise auch auf Michaela. Jedenfalls hat er sie wie viele andere Bands und Musiker/innen mal kurzerhand in sein Zimmer bei Mutti in Notting Hill einquartiert. Wenn er in London war hat er dann wohl für die Zeit auf der Couch geschlafen, weil er eh nie zu Hause war.

Das schien nach Michaelas Beschreibungen ein recht exzentrischer Haushalt gewesen sein: Peels Bruder, der da auch wohnte, tröstete sich wohl mit Pina-Bausch-Videos über eine Trennung hinweg. Peels Mutter und besagter Lebensgefährte kamen erst am frühen Nachmittag aus den Federn und spazierten die ganze Zeit in Morgenmänteln durch die Wohnung - er in Gold. Dann gabs auch das eine oder andere Schnäpsken - also Sekt und Sherry. Dann gings natürlich bis in die Nacht.

Irgendwie mußte ich an diesen goldenen Morgenmantel denken, als dann Sohn Skywalker seinen Alten da im Glitzerlicht und Mäntelchen, tot, aber geläutert, in der Abendsonne stehen sah.

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Mittwoch, Mai 23, 2007

Heute am Fenster...


...heißt morgen wieder einige hundert komische kleine schwarze Fliegen mehr in meinen Blumen. Na Danke.

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Sonntag, Mai 20, 2007

Freunde muss man gut behandeln

"Music" is my only friend" ist eine Ausstellung mit Musikplakaten aus vier Jahrzehnten. Bis zum 23. September ist sie noch im Historischen Museum Hannover zu sehen. Hat mich natürlich angesprochen, und ich habe mir ein paar leibhaftige Freunde geschnappt und sie mir angeschaut. Meine Freundin Heike, Musik- und Plakatfan, und meinen Freund Thomas, ebenfalls Musikfan und seines Zeichens Ästhet mit Interesse auch an Grafik.

Einhellige Meinung: So richtig doll ist die Ausstellung leider nicht. Es gibt ein paar Highlights, wie die Arbeiten von Frank Kozik (will mir die nicht jemand schenken?) oder dem deutschen Grafikdesigner Günther Kieser. Aber angesichts der Tatsache, dass die Sammler seit Jahrzehnten in dem Bereich aktiv sind, und auch die finanziellen Mittel für den Erwerb der Poster und Reisen haben, um sich das ganze vor Ort anzuschauen, ist das doch überraschend dünn.

Zudem ist auch die Gestaltung des Ausstellungsraums nicht gelungen. Bei der Hängung fiel mir nur der Spruch von weniger ist manchmal mehr ein. Da hätte man sich einige nicht so beindruckende Sachen sparen können - da wären die wirklich interessanten sowas wie zur Geltung gekommen. Dann die ganze Wand mit dem Schweizer Künstler mit den 80er-Jahre Postern? Und mitten hineingeklatscht Stellwände mit Spiegel-Titelseiten, Fotos und ein paar Plakaten zu jedem Nachkriegsjahrzehnt. Völlig losgelöst. Nee, da hätte man mehr draus machen können - Schade.

Mittwoch, Mai 16, 2007

Festival Theaterformen

Ein Hinweis auf ein sehr schönes und besonderes Festival. Das wäre mir vielleicht auch gar nicht so ins Auge gefallen, wenn nicht eine Bekannte von mir da in der Presseabteilung arbeiten würde.

Aber in diesem Jahr gelang einem neuen Team unter der Leitung von Stefan Schmidtke (unten) die Wiederbelebung des Festivals Theaterformen. Mit einen furiosen Programm und viel Engagement. Unbedingt anschauen!

Da habe ich mich sogar breitschlagen lassen, für Mindestlohn Flyer zu verteilen: "Festival Theaterformen, im Juni in Hannover. 14 Produktionen aus aller Welt. Alles Deutschlandpremieren, viele Europapremieren und sogar Uraufführungen! Eines der drei größten Theaterestivals Deutschlands!" Sogar HipHop gibts, sage ich immer den Kids, wenn die beim Stichwort Theater eine Fresse ziehen. Allerdings gibt es auch Kids, die beim Stichwort HipHop eine Fresse ziehen, musste ich feststellen.

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Schlüpfrige Cerealien

Wo uns nun die Bundesregierung allen physisch auf den (umfangreichen) Leib rückt, um von den wirklichen politischen und sozialen Problemen und wo ich fast zu FDP-Positionen neige, möchte ich den geneigten Leser/innen eine hübsche Beobachtung nicht vorenthalten, die mein Freund Thomas in dem seltsamerweise seit kurzem zum Vorzeigeland in Sachen Ernährung avancierten England gemacht hat.


Foto: Thomas Althaus
Dort teilt man die Müslis in "Adult Cereals" ("Erwachsenenmüsli"), "Cereals" ("Müsli") und "Healthier Cereals" ("Gesünderes Müsli"). Letzteres vielleicht, um dem neuen Ruf gerecht zu werden?

Und auch der Name "Adult Cereals" hat mich zum Stutzen gebracht. Denn "Adult Movies" ("Erwachsenenfilme") ist im Englischen keineswegs die Bezeichnung für geistig anspruchsvolle Filme für das reifere Klientel, sondern schlichtweg für Pornos. Also so kleine Nüdelchen in Penisform haben ja meine schwulen Kollegen hier schon mal angeschleppt und gekichert wie die 13jährigen. Geht sowas auch mit Müsli? Vielleicht kleine Schokoteilchen als "Afro-Dick" oder so? Wenn es sowas noch nicht gibt, möglicherweise eine Marktlücke.

Um vom schlüpfrigen Thema wegzukommen, fällt mir noch was zur Kampagne der Bundesregierung ein: Interessanterweise läßt die eine ernährungsgestörte Gruppe fast im wahrsten Sinne des Wortes unter den Tisch fallen: die Magersüchtigen. Und dieser Blogger hatte eine passende Idee zur Kampagne: Der Tag des unförmigen Mitbürgers. Immer gegen die Fetten! Ein schöner Text zu dem Thema hier.

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Dienstag, Mai 01, 2007

Looking for Love - Vor 25 Jahren starb der legendäre Musikjournalist Lester Bangs

Anstatt den Mai zu feiern, habe ich vor dem Radio gehangen. Diese Geeks - wahrscheinlich schon wieder einen netten Abend verpasst (aber so oft kommen die nicht, das habe ich lang genug ausprobiert). Heute jedenfalls ein schönes Nachtclub Extra gehört : "Rock'n'Roll auf der Schreibmaschine - Zum 25. Todestag von Lester Bangs. Ein Rückblick auf das wilde, tragische Leben von Amerikas größtem Rockjournalisten von Ronald Strehl".

Lester Bangs ist einer der Gestalten der Zeitgeschichte, die zu ihren Zeiten zwischen Erfolg und Chaos dahertrieben, gehaßt und geliebt wurden, genauso wie er kompromißlos haßte oder liebte und nichts dazwischen kannte. Er schlitterte zwischen Wahnsinn und Genie und wurde posthum zum Vorbild einer ganzen Generation Musikschreiber.

Bangs wuchs in den 50er Jahren in der spießigen Kleinstadt Escondido bei San Diego auf. Sein alkoholkranker und vorbestrafter Vater kam bei einem Hausbrand um, als der Junge neun Jahre alt war. Bei seiner Mutter fand er anscheinend wenig Trost - sie war ein strengläubiges Mitglied der Zeugen Jehovas, eine der wenigen Religionen, die Musik verabscheuen. Schon als Kind begann Bangs zu schreiben. Als Teenager begeisterte er sich zum Entsetzen seiner Mutter für die Beat-Literatur und B-Bop, aber auch Garage- und Surf-Musik.

Er schrieb seinen ersten Artikel Ende der 60er Jahre für den Rolling Stone. Sein Debüt war ein Verriss der MC 5, denen er ihr politisches Engagement nicht abnahm. Greil Marcus, damals Redakteur des Blattes, wurde zu einem wichtigen frühen Förderer. Beim Rolling Stone kam er aber nie groß raus, weil er immer im Clinch mit Jann Wenner lag. Der hatte schon ein halbes Jahr nach Gründung des Blattes um Finanzhilfe bei der Plattenfirma Columbia ersucht und in der Folge durfte im Blatt nicht mehr negativ über Columbia-Künstler - wie Bob Dylan - berichtet werden. Schließlich flog er wegen respektlosem Verhaltens gegenüber den Künstlern raus.

Dann landete er beim Rockmagazin Creem in Detroit, wo damals Künstler wie die Stooges und MC 5 für Furore sorgten. Hier wurde er für fünf Jahre festangestellter Redakteur, der diverse Titelstories schrieb. Er wurde zu einem der renommiertesten Vertreter des New Journalism in den 70er Jahren, schrieb aber auch Texte im Stil des Gonzo-Journalism (Stichwort Hunter S. Thompson). Creem hatte wohl nur ein Viertel der Auflage des Rolling Stone, aber einen hohen kulturellen Einfluß: Es regte angeblich diverse LeserInnen an, kreativ zu werden. So soll die Lektüre des Magazins unter anderem Patti Smith, David Thomas und Johnny Lydon inspiriert haben, selbst musikalisch aktiv zu werden.

Mitte der 70er Jahre ging Bangs nach New York, um mit einer Freundin zusammen zu ziehen. Hier schrieb als freier Autor für Village Voice (wo Robert Christgau für ihn zuständig war), NME und auch wieder den Rolling Stone. Seine Texte wurden auch für das deutsche Sounds und die Rowohlt-Reihe "Rock Sessions" übernommen. Um Geld zu verdienen - so wurde behauptet - schrieb er auch für Penthouse und Playboy. Er war Stammgast im legendären CBGBs, verfolgte die Entwicklung des US-amerikanischen New Wave und schrieb unter anderem eine Biografie über Blondie, die 1980 erschien. Die meisten seiner - ambitionierteren - Buchprojekte kamen nie zustande. Dafür tat er sich als mittelmäßiger Sänger und Musiker hervor.

Er soll bei seinen Leuten beliebt gewesen sein - mit Ausnahme der von ihm verehrten Musiker. Hier soll er sich als trinkfester Stammgast im Backstagebereich profiliert haben. Nie sollen sie ihn als ihresgleichen akzeptiert haben, sondern mit seinem Schnauzer und Bierbauch eher als idiotischen Bauerntölpel abgetan haben. Nun ja, die New-Yorker Musiker, insbesondere der von ihm über alle Maßen verehrte Lou Reed waren aber, so weit man hört, zu niemandem so richtig lieb.

Muß hart gewesen sein für einen Idealisten, der sich nach nichts anderem mehr sehnte als Liebe, wie sein Biograf Jim Derogatis beschrieb. Schon lange hätten Drogen und Alkohol sein Leben bestimmt. Eine Ex-Geliebte bezeichnete ihn als „Garbagehead“, einer der sich mit billigen Drogen zudröhnte. Er trank angeblich Wick-Naseninhalierer, was wie Speed wirkte und Hustensaft, der Spuren von Opiumstoffen enthielt. Von Alkohol gar nicht zu reden. Zum Schluss soll er arm gewesen sein (reich wahrscheinlich sowieso nie). Seine Wohnung soll zu seinem Tod ausgesehen haben wie die eines Teenagers, der gerade bei den Eltern ausgezogen ist. Gestorben ist er 1982, 33jährig, an einer Überdosis von irgendwelchen Zeugs, mit dem man sich normalerweise weder umbringt noch es nimmt, um sich einen Kick zu geben. Aber bei manchen Leuten weiß man nie.

Sein Ex-Kollege Greil Marcus hat im Nachhinein zwei Bände mit seinen Arbeiten herausgegeben und es gibt eine Biografie über ihn - die einzige, so weit ich weiß, über einen (mehr oder weniger ausschließlichen) Rockkritiker. Und ein anderer Ex-Kollege, Cameron Crowe, nahm ihn als Haupt-Nebenfigur in seinem Film "Almost Famous" auf. Einen Teil der Legende macht es sicher auch aus, dass solche Gestalten, die es schon ihrerzeit nicht leicht hatten, im heutigen Musikjournalismus schon in der Stufe nach dem Fanzine untergegangen wären. Andererseits kann man die Vorwürfe seiner Kritiker/innen, Bangs sei rassistische und chauvinistische gewesen, nicht ganz abtun - obwohl er sich mit diesen Themen auch bewußt beschäftigt hat. Diese Denkweise - unreflektiert - findet sich leider bis heute allgemein in großen Teilen des Musikjournalismus, die Rock zumindest implizit noch immer als Jungsmusik betrachtet.

Playlist von NDR-Info folgt, wenn ich sie gefunden hab. Gar nicht so einfach. Stand auch nicht bei "NDR-Nachtclub-Extra-Playlists", wie man vermuten könnte (die Seite gibt es, sie ist aber ratzekahl leer), sondern einfach bei NDR-Info-Nachtclub-Extra: voilà. Besten Dank an Angela Gobelin fürs Suchen helfen.

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