Montag, Januar 22, 2007

Pop ist tot

Auch wenn er eine alte kleine Giftschleuder ist, trifft Berthold Seliger häufig genug den Nagel auf den Kopf. So auch in seiner Analyse des bedauernswerten Endes der Spex, die irgendwie schon längst tot war und im März wiederauferstehen soll: "Wo die großen Entwürfe des Pop fehlen, wird Retro King, macht Revival Kasse [...] Doch wo dies der Zustand des Pop ist, wo soll dann eine interessante Berichterstattung über Pop herkommen? Nur, wer sich eine neue, eine bessere, eine interessantere Pop-Musik backen könnte, der könnte am anderen Morgen auch eine Zeitschrift backen, die wieder so interessant sein könnte, wie es Spex, wenn nicht die sentimentalistische Rückschau doch täuschen mag, vielleicht einmal war [...] Bis dahin jedoch kann man Max Dax [Anm. der neue Chefredakteur] nur viel Glück wünschen - er steht eigentlich vor einer klassischen No-Win-Situation: Die Popmusik hierzulande gibt keine interessante Zeitschrift her, und was er auch tun wird, die Zeilen-Junkies aller Couleur warten nur darauf, ihn hinzurichten."

Auch der von mir sehr verehrte, im Gegensatz zu Seliger auch als Mensch sehr liebenswürdige Klaus Walter kann nicht so richtig weinen: "Die fast schon hysterischen öffentlichen wie privaten Reaktionen auf die Umzugs-Nachricht stehen in einem grotesken Mißverhältnis zu der realen Bedeutung, die SPEX in den letzten sechs, acht Jahren für die meisten von uns (nicht mehr) hatte. Tun wir noch mal so, als hätten die Heuschrecken vom Piranha-Verlag uns unser Bestes weggenommen, spielen wir noch mal Ende einer Ära. Dabei ist das Abo längst gekündigt." (FR)

Ich hatte noch nie eins, weil ich die Zeitschrift in den letzten Jahren auch sehr durchwachsen fand und mich vor allem über eitles pseudo-intellektuelles Jungsspundgeschwurbel geärgert habe: Einmal eine Sitzung in einem Seminar zu Gender besucht und dann gleich einen Artikel davon gemacht. Oder der Autor ist so davon beeindruckt, dass er sich ein wenig mit Alternative Country auskennt, dass er einen Text schreibt, den nur Leute enträtseln können, die sich mindestens genauso gut damit auskennen und der soviel Erkenntniswert hatte wie ein Wichsfleck. Aber gekauft habe ich das Blatt doch häufig und nicht alles war schlecht.

Aber an der Anerkennung der Tatsache, das Pop - auch wenn oder gerade weil viel darüber geredet wird - heute einen völlig anderen Stellenwert hat als Anfang der 80er, an dem auch eine perfektest gemachte neue Spex nicht rütteln kann, weil es die Substanz nicht hergibt, kommt man nicht vorbei. Nichtmal für mein tolles Popkultur-Seminar im Bildungsverein hat sich irgendein Schwanz interessiert.

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